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B90 GRÜNE Haushaltsrede Bad Driburg 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,
Finanzen sollen solide sein, das beruhigt nicht nur ungemein die Nerven, das stellt auch sicher, dass Vermögen nachhaltig erhalten bleibt und Verwalter und Eigentümer in einem vertrauensvollen Verhältnis zusammen leben können.

Verwalter der städtischen Finanzen – das sind wir. Der Rat hat gesetzlich verankert die absolute Entscheidungsbefugnis über den Haushalt.
Eigentümer des städtischen Vermögens – das sind die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt.

Wir alle stellen uns hier also einer großen Verantwortung, wenn wir beurteilen, ob dieser Haushaltsplan Maß und Mitte darstellt. Also, ob er so aufgestellt ist, dass er das Vermögen der Bürgerinnen und Bürger bewahrt und womöglich und im besten Falle mehrt.

  Wo liegen also maßvolle Vorschläge in diesem Haushaltsplan?
  Wo wird die Mitte zwischen Einnahmen und Ausgaben gehalten?
  Und wo schlägt das Pendel mehr in Richtung Ausgaben und führt so zu einem strukturellen Defizit?

Wir wollen das an einigen Beispielen darlegen. Und wir wollen schauen, was mit einem strukturellen Defizit geschieht, wenn Maß und Mitte verloren gehen.

Aber vorweg Folgendes: wir haben wie auch im vergangenen Jahr einen umfangreichen Fragenkatalog an die Kämmerei geschickt. Ich glaube, in diesem Jahr waren es fast 50 Einzelfragen zu 11 Produkten und natürlich zur Gesamtinvestitionsübersicht. Wir sind uns bewusst, dass das eine Herausforderung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, diese Fragen alle zu beantworten. Daher geben Sie, Herr Kämmerer, bitte unseren ausdrücklichen Dank an die Mitarbeitenden weiter.

So, wenden wir uns nun der Frage zu, wie eigentlich so ein strukturelles Defizit entsteht. 

Natürlich ist es nicht so simpel, dass mehr ausgegeben wird, als eingenommen wird. Das kann in jedem Haushaltsjahr mal vorkommen und es kann vor allem gute Gründe haben. Aber wenn dauerhaft mehr regelmäßige Ausgaben zu tätigen sind, als Einnahmen erwartet werden können – dann spricht man von einem strukturellen Defizit. 

Und das ist dann ein Problem!
Was das für eine Kommune bedeuten kann, kann man an vielen Städten beobachten, die sich Jahrelang an gute Einnahmen und große Ausgaben gewöhnt hatten. Als diese Einnahmen wegbrachen, standen und stehen diese Kommunen bis heute vor schier unlösbaren Aufgaben. Vom Holzschuh in den Lackschuh ist immer einfacher als vom Lackschuh in den Holzschuh.

Nehmen wir unsere Bad Driburg Therme:
Seit Bestehen fährt sie ein sattes Defizit von rund 1 Mio.€/a ein. Alle Versuche, dieses Defizit zu verringern, sind gescheitert, teils weil sie halbherzig waren, teils weil sie einfach untauglich waren. Diese Versuche haben nur dazu geführt, dass das Eigenkapital verzehrt wurde bis zu einem Punkt, an dem der Gang zum Insolvenzrichter in greifbare Nähe rückte. Nun, eine Mehrheit der Stadtverordneten des alten Rates hat sich entschieden, das Eigenkapital wieder aufzustocken - mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger versteht sich – um diesen bitteren Schritt zu verhindern. Das Defizit der Therme verringert sich dadurch aber natürlich um keinen einzigen Cent.

Ein strukturelles Problem der Therme und in Folge ein strukturelles Problem für den Stadt- Haushalt: 1 Mio. € jährlich muss dazugebuttert werden.
Hier kann niemand von Maßhalten sprechen. Hier ist das sichere Gespür für die Mitte zwischen Einnahmen und Ausgaben schon lange, lange verloren gegangen.

Maß und Mitte
Wir finden im Haushaltsplan in der Investitionsübersicht eine geplante Investition von 650.000€ für ein Parkhaus und eine Unterführung der Gleise am Bahnhof.
Seit über 10 Jahren läuft der Prozess, einen höhengleichen Zugang zum Gleis von der Seite des Steinbergs zu bekommen. 90% des Weges dahin ist geschafft. Und nun plante die Fachabteilung zwischendrin einfach um und setzte auf eine Unterführung, die die überfällige Umsetzung des Zugangs gefährden würde und gleichzeitig viel, deutlich teurer würde. Ohne Auftrag des Fachausschusses, ja sogar ohne Wissen des Fachausschusses.

Dieselbe Fachabteilung ist zuständig für die Anschaffung von Geschwindigkeitsmeßgeräten, die die Sicherheit der Fußgängerinnen und Fußgänger verbessern sollen. Hier geht es um etwa 15.000€.
Nun mussten wir feststellen, dass diese 15.000€ für die Sicherheit von Menschen mit der Begründung „wir müssen sparen“ aus dem Haushaltsplan gestrichen worden waren.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion fragt Sie: wo ist da Maß und Mitte? 15.000€ sparen, damit man dann ungefragt 650.000€ ausgeben kann?


Maß und Mitte
Der Plan ist, in den Ortsteilen Dorfplätze einzurichten. Entstanden aus dem Wunsch der Eltern in Reelsen, den Spielplatz zu erweitern und mit neuen Geräten auszustatten, hat das Bauamt die Idee entwickelt, wenn schon, dann allen Ortsteilen einen niegelnagelneuen Dorfplatz zu bauen.

Ein wenig Maßhalten fehlte schon an dieser Stelle.

Nun fällt auf, dass soetwas Geld kostet. Man schlägt nun vor, das besser zu verschieben. Übersieht aber im Eifer des Gefechts, dass genau hier ein hoher Fördersatz gewährt wird, und dass man natürlich und vor allem die Ortsteile erst mal fragen muss, bevor man so etwas wieder streicht!
Spätestens hier ist dann auch die Mitte verrutscht.
Maß und Mitte - und strukturelles Defizit

Schauen wir uns den Stellenplan an – mit 10.343.808,00 € für aktiv Beschäftigte und somit fast ein Viertel des gesamten Haushalts der größte Brocken, über den wir hier heute zu entscheiden haben.

Im Haushaltplan 2021 ist ein Stellenzuwachs von 0,7 Stellen angegeben. Da denkt man doch, das liegt noch im moderaten Bereich. Schaut man aber genauer hin, dann stellt man fest, dass man sich diese moderate Steigerung im Angestelltenbereich mit der Einsparung 2 von 2,4 Honorarkraftstellen in der Musikschule „erkaufen“ will. 

Dort gibt es zukünftig nur noch 1,3 Honorarkräfte. Nur, dass diese Honorarkraftstellen viel preiswerter sind als die normalen Stellen für Angestellte und Beamte. Lässt man also die Streichung dieser Honorarkraftstellen außer Betracht, erhöht sich der Stellenplan um 3,1 Stellen.

In Kenntnis dieses kaschierten Stellenzuwachses wird auch klar, warum die Personalaufwendungen um 6% - in € ausgedrückt, um 564.000 € - steigen. Die Tarifsteigerung aber macht nur 1,4% aus. Der Stellenzuwachs von 0,7 Stellen entspricht ca. einer Steigerung um 0,5%. Bleibt also noch ein Rest von gut 4%. Mit diesem Mehr von 382.000 € sollen zusätzliche 3,6 Stellen im gehobenen, 1,6 Stellen im mittleren Dienst und 0,9 Stellen in den Kindergärten finanziert werden.
Ein wenig eingespart wird im höheren Dienst mit 0,8 und im einfachen Dienst mit 0,2 Stellen. 

Bei den Beamten fällt eine Stelle weg. Da der Stellenzuwachs also primär im sehr gut bezahlten gehobenen Dienst vorgenommen wurde, ist auch klar, warum im Schnitt eine zusätzliche Stelle pro Jahr 123.000 €, pro Monat also 10.000 € kostet.
Im Personalbereich finden sich also erhebliche Kostensteigerungen, die weit über den zu erwartenden Tarifsteigerungen liegen und dem ausgewiesenen teuren Stellenzuwachs entsprechen.

Das ist dann der klassische Weg einer Kommune in ein strukturelles Defizit. 

Erkennt man weiter, dass die Stellenangaben in der Spalte Plan 2020 eben nicht die Planzahlen, sondern die Ist-Zahlen aus Mitte 2020 darstellen, - und die korrekten Zahlen sind wichtig, ja essentiell, wenn man eine Entwicklung im Personalhaushalt nachvollziehen will - muss man feststellen, dass hier etwas ganz gewaltig aus dem Ruder gelaufen ist.
Das rechte Maß der Zahlen ist verloren gegangen und die Mitte bei den Personalausgaben ebenfalls.

Der Komplex Eggelandklinik
Wir wollen an dieser Stelle gar nicht auf die Anwürfe der letzten Zeit gegen meine Partei eingehen. Hunde, die getroffen wurden, bellen halt.
Aber uns ist doch richtig schlecht geworden, als wir die Investitionsplanung für das Gebäude der Eggelandklinik gesehen haben. Wohl gemerkt: nicht der Park, es geht hier erstmal nur um das historische Gebäude der alten Klinik.
In der Gesamtinvestitionsübersicht sind 7,5 Mio. € für die Jahre bis 2024 eingestellt – weiter geht die Übersicht nicht.
Wir mussten also aus dem Haushaltsplan entnehmen, dass hier die Kosten vollstän- dig aus dem Ruder laufen! Im Haushaltsplan 2020 waren für dieses Projekt insgesamt Auszahlungen für 4 Mio. € angegeben.
Nun haben wir fast eine Verdoppelung! In einem Jahr! Und ohne auch nur die klitzekleinste Information an die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerschaft hier im Rat.

Da ist jedes Maß und jede Mitte verloren gegangen. Und natürlich ziehen Investitionen in einer solchen Höhe auch laufende Kosten nach sich. Darüber finden wir im Haushaltplan aber kein Sterbenswörtchen.

Sie ahnen es: hier entsteht ein neues strukturelles Defizit in unseren zukünftigen Haushalten!

Maß und Mitte
Wir können – wenn alles gut läuft – mit Einnahmen aus den Kurbeiträgen in Höhe von rund 1,4 Mio. € jährlich rechnen. Aber auch nur wenn alles gut läuft wohlgemerkt!

Davon gehen die Kosten ab, die mit diesen Einnahmen verbunden sind: zum großen Teil Personalkosten, denn die Kurbeiträge müssen ja abgerechnet, verbucht und verwaltet werden.
Nun werden in den Medien Forderungen an den Rat veröffentlicht, eine Entschädigung für die Nutzung des Kurparks in Höhe von rund 2 Mio. € zahlen zu sollen.

Und schon wieder tut sich ein strukturelles Defizit von mindestens 600.000€ jährlich auf.
Und als ob das nicht schon genug Belastung für die Bürgerinnen und Bürger wäre, werden Pläne vorgestellt, den Kurpark in der Fläche zu vervielfachen. Dass die Kosten durch den städtischen Haushalt zu tragen sind, versteht sich bei dem „Visionär“ scheinbar von selbst.
Was für eine Idee! Wo ist hier maßvolles Wirtschaften? Geht es hier um Maßhalten oder um extreme Ansprüche? Wie soll die Bürgerschaft das denn finanzieren? Und vor allen Dingen: warum?

Nun, zumindest über diese Problematik brauchen wir heute nicht zu entscheiden.
Aber wir können als GRÜNE hier schon deutlich sagen: wir als Stadtrat müssen das strukturelle Defizit in den Griff bekommen. Wir als GRÜNE Fraktion wollen das strukturelle Defizit in den Griff bekommen!
Das funktioniert aber nicht, in dem notwendige Investitionen verschoben werden oder in dem auf der Einnahmenseite der Verkauf von Vermögen angepriesen wird.

Wir erinnern an dieser Stelle an den Waldverkauf in Dringenberg und Neuenheerse und warnen ausdrücklich davor, den Verkauf des Eggelandparkes als Lösung für die Finanzprob- leme der Stadt darzustellen.
Einmaleffekte aus Verkäufen lösen keine strukturellen Probleme!

Zurück zu unserer Frage: Wo sind Maß und Mitte in diesem Haushaltsplan-Entwurf? 

Die ernüchternde Antwort ist: Maß und Mitte sind nicht vorhanden!
Wo aber ist die ordnende Hand eines Bürgermeisters?
Wie kann man einen solchen Haushaltsplan-Entwurf verantwortungsvoll einem Rat vorlegen?
Wo sind die mahnenden Worte eines Kämmerers?

Wir GRÜNE können keinen Punkt benennen, der für eine Zustimmung zu diesem Haushaltsplan sprechen würde. Wir können nur warnen vor einer Politik „Augen zu und durch“. Das vergrößert die Probleme nur.

Die Titanic mit Volldampf im Eisfeld – welche Katastrophe hätte Kapitän Edward John Smith, verhindern können, wenn er in seinem Ehrgeiz Maß gehalten hätte?

Daher können wir diesen Haushaltsplan nur entschieden und in aller Deutlichkeit ablehnen!